Kreuzritter auf Abwegen

Religion ist eine sehr persönliche Angelegenheit. In meinem Leben spielt sie keine Rolle, für manche ist sie aber wichtiger und unverzichtbarer Bestandteil des täglichen Lebens. Auch wenn ich deren Standpunkt nicht teilen kann so habe ich natürlich Respekt vor ihrer Einstellung und niemand wird von mir geringer geschätzt, weil Glaubensfragen für ihn oder sie einen anderen Stellenwert haben als für mich. Der Respekt gegenüber den Religionen bedeutet natürlich auch den nötigen Respekt vor deren Symbolen.

 Ich bin deshalb - sehr vorsichtig ausgedrückt - ziemlich verwundert über ein Werbeposting, das diverse hochtangige FPÖ-Funktionäre, etwa Oberösterreichs Landeschef Manfred Hainbuchner über Facebook als gesponserte Anzeige verbreiten. Eine derartige Respektlosigkeit gegenüber einem christlichen Symbol ist mir in unseren Breiten noch nicht untergekommen: Sag "ja" zum Kreuz und folge der FPÖ!

 

Nun kann mich am Verhalten der freiheitlichen Führungstruppe kaum noch etwas wirklich erschrecken und deshalb nehme ich diesen blauen Propagandagag mit Bedauern zur Kenntnis. Ich verstehe aber das Schweigen von Amtskirche und Klerus nicht. Freilich leiden die christlichen Kirchen in Österreich seit Jahren unter einem konstanten Mitgliederschwund, aber sind sie wirklich in so einer prekären Lage, dass sie tatenlos zusehen müssen, wie eines der wichtigsten Symbole ihres Glaubens zum Wegwerfobjekt einer respektlosen Marketingpointe gemacht wird? 

Denn genau das passiert hier: Solche Werbepostings werden in den großen Social-Media-Teich geworfen, man fischt damit "Likes" solange es geht, protzt bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit der Zahl der Sympathisanten und wenn die Verteiler- und Zustimmerwelle abflaut wird das Sujet aus dem Netz geholt und weggeworfen. Es muss einem anderen Platz machen, das man auf die gleiche Reise schickt.

 

Dass in der FPÖ heftiges Unbehagen um sich greift, ist schon lange offensichtlich. Man findet sich plötzlich in der neuen Situation als Juniorpartner in der Regierung wieder und kommt mangels tauglicher Konzepte und geeigneter Persönlichkeiten aus dem Stolpern nicht heraus. Es ist aber doch verwunderlich, dass man so schnell jegliche Form von Anstand über Bord wirft, wie Hainbuchner und Co. mit dem Werbeposting eindrucksvoll beweisen. Der Missbrauch religiöser Symbole für politische Zwecke ist zwar nicht neu, in Österreichs jüngerer Geschichte aber doch einzigartig. Dass diese Respektlosigkeit von den obersten Kirchvertretern durch ihr Schweigen geduldet wird mag verstehen, wer will.