Johann Gudenus ist nicht nur hochbezahlter FPÖ-Spitzfunktionär, er verkleidet sich auch zuweilen als Patriot und schießt dann dieser Tage gerne als wild entschlossener Kopftuchjäger mit extremem Rechtsdrall durch Österreichs Medienlandschaft. Die Worthülsen, die er dabei durch die Gegend schleudert, sorgen stets für mediales Aufsehen. So auch kürzlich in der ORF-Sendung "Im Zentrum", wo Gudenus schwadronierte, es sei „arg und interessant, dass es so weit kommen konnte in Europa, dass wir immer mehr über Islamisierung sprechen müssen und über Burka, Kopftuch, Nikab und den ganzen Firlefanz."
Er hat Recht. Wir müssen darüber sprechen und zwar immer öfter. Aber nicht, weil uns Österreicher und Europäer diese Fragen mehr beschäftigt als vieles andere. In religiöser wie politischer Hinsicht bilden diese Dinge nur Nebenschauplätze. Sie haben natürlich Beachtung verdient und eine offenere Zugangsweise von allen Beteiligten wäre ein großer Gewinn. Aber weder in Sachen Gleichberechtigung noch beim Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Frauen und Mädchen wird man mit so einer Politik der Nadelstiche etwas zum Besseren verändern. Und wir reden ja auch nicht immer öfter "darüber", damit sich etwas verbessert, sondern weil hier das Gerüst steht, auf dem das politische Hamsterrad der Rechtspopulisten läuft.
Die österreichischen Vertreter dieser Denkweise sitzen seit wenigen Monaten sogar in der Regierung, und das wenig erfolgreich. Die Störfaktoren in den eigenen Reihen sind einfach zu zahlreich und zu weit gestreut. Da sind die Ewiggestrigen mit ihren Naziliedern und Hitlerbildern, die Egomanen, die jeden aus dem Weg räumen, der sich nicht bedingungslos unterwirft, die Orientierungslosen, deren Plan für Österreich in einer Auflösung der sozialen Einrichtungen und Errungenschaften endet.
Wenn jemand aus dieser illustren Runde wieder ein Mal mit Schwung ins nächste Fettnäpfchen gesprungen ist, dauert es nur einen politischen Wimpernschlag, bis reflexartig der Aufschrei ertönt: "Islam, Kopftuch, Hilfe!!"
Und wie bestellt rennen die "Follower" los und das Hamsterrad läuft. Das verursacht - jedenfalls medial - meist eine Menge Lärm. Die willigen Gefolgsleute ihrerseits verwechseln aber das unrunde Laufgeräusch mit echter Bewegung, dabei treten sie doch nur auf der Stelle. Wenn dann das Laufrad irgendwann wieder zum Stillstand gekommen ist sehen sie sich um und erkennen: Der ganze Popanz war zwar ermüdend, hat sie aber keinen Zentimeter weiter gebracht. Darüber sind sie zwar enttäuscht und verärgert, aber die Schuldigen für den Misserfolg sind gleich gefunden: "Islam, Kopftuch, Hilfe!!!"
Und der nächste arg interessante Fall ist erschaffen, das leidige und angeblich so unerwünschte Thema wieder in aller Munde.
Sehr geehrter Herr Gudenus, Sie und Ihresgleichen haben es doch selber in der Hand. Mit ein wenig Übung und gutem Willen kann man jeden Automatismus korrigieren. Klar, die Ausrutscher der Blauen werden nicht weniger werden, aber vielleicht schaffen Sie es, dann und wann den panischen Fluchtreflex zu vermeiden. Die so gewonnen Zeit könnte man - statt weiter auf der Stelle zu treten - für sinnvolle Gespräche und das Erarbeiten vorausschauender Lösungen nutzen. Ich gebe allerdings zu, die Sache hat einen Haken: Damit kommen Sie sicher nicht so oft ins Fernsehen.