Sprachförderung für Inländer

Dass aktuell viele politische Führungskräfte ein Problem mit Deutsch haben ist nicht zu übersehen. Speziell die Freiheitlichen sorgen immer wieder für Furore mit den 180-Grad-Kehrtwendungen nach den diversen Wortmeldungen: Ja, es stimmt schon, das hat er oder sie wirklich gesagt, aber er oder sie hat das doch ganz anders gemeint. Ich war bisher stets der Meinung, dass in unserem Land jede(r) mit einer abgeschlossenen Schulbildung in der Lage sein müsste, zu sagen, was er/sie meint. Der Wortschatz dafür sollte vorhanden sein und die entsprechenden Kenntnisse der Grammatik auch. Aber gut, ich bin ja nicht unfehlbar und habe mich offensichtlich geirrt.

Auf Fremdwörter auszuweichen, weil es mit Deutsch nicht klappt, ist aber trotzdem nicht zu empfehlen. Auch Wörter, die wir aus anderen Sprachen geliehen haben, können nicht beliebig eingesetzt werden sondern nur ihrem eigentlichen Wortsinn entsprechend. Lassen sie es mich an einem einfachen Beispiel illustrieren: die sogenannte Win-win-Situation. Dieses Wort wird von Schwarz und Blau derzeit gerne strapaziert, um das kürzlich recht überhastet beschlossene Gesetz über den 12-Stunden-Tag schön zu reden.

Eine Win-win-Situation entsteht klassischerweise dann, wenn an einer Sache z.B. zwei Parteien beteiligt sind und durch geeignete Maßnahmen am Ende für beide Beteiligten ein positives Ergebnis heraus kommt.

Beim 12-Stunden Tag ist es so: Früher musste ein Chef irgendwas Vernünftiges anbieten, wenn er seine Leute täglich 12 Stunden lang an der Werkbank haben wollte. Dank des neuen Gesetztes braucht er sich jetzt den Kopf nicht mehr über Verhandlungen und freundliche Angebote zu zerbrechen, er braucht die 12-Stunden-Schicht nur mehr anzuordnen. Er hat ja jetzt das Recht dazu und das ist für ihn zweifellos ein Vorteil, also das erste "win" in unserem Fremdwort.

Diese Möglichkeit zur Erweiterung der Arbeitszeit stärkt natürlich den Wirtschaftsstandort Österreich im Allgemeinen und das jeweilige Unternehmen im Besonderen. Es können zusätzliche und lukrative Aufträge angenommen werden, die Umsätze steigen und die Gewinne üblicherweise auch. Dieser Mehrertrag fließt im Regelfall eher nicht in die Taschen der Mitarbeiter sondern in jene der Chefs. Für die ist das ganz sicher positiv und somit hätten wir auch das zweite "win".

Die Sache hat nur einen Haken: Es gewinnt beide Male der Gleiche und die andere Seite geht leer aus. Von der klassischen Win-win-Situation kann man hier also nicht wirklichen sprechen, eher von klassisch über den Tisch gezogen, was die ArbeiterInnen und Angestellten betrifft.

Aber Moment, sagen da die Arbeitszeitprofis von FPÖ und ÖVP: Die unselbständig Beschäftigten können den 12-Stunden-Tag sehr wohl zu ihrem Vorteil nutzen. Sie können ja von Montag bis Donnerstag ein Zeitguthaben aufbauen und dann in ein verlängertes Wochenende eintauchen. Klingt gut, hat aber ebenfalls einen Haken: Das steht so nicht im Gesetz, sie haben also keinen Anspruch darauf. Wer ein verlängertes Wochenende einarbeiten möchte muss erst Mal als Bittsteller zum Chef. Dort kann er seinen frommen Wunsch äußern, mehr nicht.

In Sachen Rechte für die Arbeitnehmer gibt es keinen Formulierungsfehler im Gesetz. Wie auch, wenn darüber de facto nichts drinnen steht.

Insgesamt zeigt dieser eine Fall beispielhaft: Die obersten Repräsentanten unserer Republik haben große Probleme damit, in Gesetze das hinein zu schreiben, was sie angeblich wirklich beschließen wollen. Es gelingt einfach nicht, die richtigen Formulierungen zu finden und schwupps, schon steht da wieder das Gegenteil von dem, was sie vorher versrochen haben.

Um diese sprachliche Bildungslücke bei unsere Volksvertretern zu schließen könnte die Regierung ja eventuell auf Mittel aus einem anderen Topf zugreifen. Bei den Deutschkursen für Ausländer wird ja kräftig gespart, vielleicht könnte man mit dem Ersparten ein Förderprogramm für Berufspolitiker ins Leben rufen. Dann kann auch sowas nicht mehr passieren: Die Regierungsparteien haben die Worte christlich, sozial und Freiheit in ihren Namen bzw. Programmen, aber mit ihrer Arbeit beweisen sie täglich: Das haben sie nicht so gemeint.