"Ich bin kein Bildungsexperte!"
"Ich treffe viele politische Entscheidungen. Für die gibt es nicht immer eine wissenschaftliche Grundlage!"
Das Outing von Bildungsminister Heinz Fassmann war zwar überraschend ehrlich, in der Sache selbst aber keine Überraschung. Wie sonst wären die eigenartigen Halbfertigprodukte zu erklären, die der Herr Minister in diesem Schuljahr als besondere Delikatesse verkaufen möchte, zum Beispiel das Prestigeprojekt "Deutschförderklassen".
An Oberösterreichs Pflichtschulen gibt es heuer rund 106.200 SchülerInnen,
7.133 davon haben Sprachförderbedarf, 2.144 von ihnen besuchen eine der 153 Deutschförderklassen. Sie werden zu etwa drei Viertel der Unterrichtszeit in einem eigenen Klassenverband unterrichtet und verbringen das restliche Viertel (z.B. Turnen, Zeichnen) mit jenen, in deren Klasse sie eigentlich sein sollten. Der Herr Bildungsminister nennt das "Integrationsmaßnahme". Klingt absolut plausibel, keine Frage. Um es an einem Beispiel aus dem Sport zu veranschaulichen: Wenn ein Abfahrtsläufer zu 75 Prozent mit den Fussballern trainiert und den Rest auf der Piste, dann fördert das seine Integration im Skiteam!?
Die Schulen und deren LeiterInnen waren auf das neue Deutschprogramm vorbereitet. Schließlich verschickte der Herr Bildungsminister bereits im Frühjahr ein fröhliches Heftchen, in dem auf rund 25 bunten Seiten das kommende Fördersystem gelobt wurde. Sonst stand da nicht viel Brauchbares drin, der Informationswert blieb Seite für Seite sehr nahe am Nullpunkt. Beispiel gefällig? Gerade ein Mal 22 Zeilen werden aufgeboten um die Frage zu beantworten:"Wie sehen die neuen Deutschförderkurse konkret aus?"
Allerdings enthält die Broschüre zwei Hinweise, die unbedingt Beachtung verdienen: Deutschförderklassen sind einzurichten, wenn mindestens acht SchülerInnen dafür in Frage kommen, diese Klassen zählen aber nicht als Klassen im schulrechtlichen Sinn. Das macht es für den Minister leicht, denn "keine Klasse" braucht "kein Klassenzimmer", "keine Klassenlehrer" und somit auch keine zusätzlichen Mittel. Zumindest auf dem Papier. Wie diese "Nicht-Klassen" aber im wirklichen Leben räumlich untergebracht werden sollen und wer deren Betreuung übernimmt, darüber hat der Herr Minister in seinem Jubelblatt nichts verraten.
Wenig überraschend ist daher, dass die Zahl der Förderklassen weit unter der Prognose liegt. Im April 2004 erwartete man im Ministerium etwa 233 Deutschförderklassen im Land ob der Enns, tatsächlich sind es 80 weniger. Schuld daran ist aber sicher nicht das urplötzlich und sprunghaft gestiegene Niveau der Deutschkenntnisse. Der Grund liegt wohl eher beim Hausverstand der SchulleiterInnen und bei der Tatsache, dass es dem Ministerium bis Schulbeginn nicht gelungen ist, einen standardisierten Test für die Beurteilung des Förderbedarfs aufzulegen. Die SchulleiterInnen entschieden selbst darüber, wie viele Kinder mit Förderbedarf es an ihrer Schule gibt. Es wird daher nicht ganz zufällig etliche Schulen geben, an denen offiziell sechs oder sieben dieser Kinder sind. Damit bleibt den LehrerInnen die undankbare Aufgabe, diese Kinder im normalen Klassenverband und in Deutschförderkursen zu unterrichten. Das ist zwar schwierig, aber immerhin möglich, im Gegensatz zur Einrichtung zusätzlicher Unterrichtsräume in vielen der bestehenden Gebäude. Die müssten noch dazu verbunden sein, mit einer Tür, einem Durchgang oder einem Paternoster. Schließlich müsste ja ein Lehrer mehrere Klassen beackern, zusätzliches Personal gibt's ja nicht.
Falls den ministeriellen Ankündigungen nun auch Taten folgen, wird wohl das Schuljahr 2019/20 zum großen Prüfstein werden. Bis dahin wird es verbindliche Spielregeln geben, vor allem den offiziellen Eignungstest für die Sprachkompetenz. Die wohlwollende Auslegung der Testergebnisse wird damit zumindest wesentlich erschwert, es gibt ja verbindliche Vorgaben. Dann stehen zwei Szenarien als wahrscheinlich im Raum: Die Zahl der Förderklassen wird sich an die ursprünglich Prognose annähern und damit die SchulleiterInnen und die Schulbetreiber vor massive und mancherorts unlösbare Probleme stellen oder aber die Anforderungen an den Förderbedarf werden so weit nach unten geschraubt, dass man zwar mit den vorhandenen Kapazitäten das Auslangen findet, das Programm selbst aber wegen der niedrigen Anforderungen zur Farce wird.
In meiner Schulzeit, die - zugegeben - schon recht lange her ist, kamen die wirklich zweifelhaften Schulstreiche meist von eher schlechten Schülern. Heute, so scheint es, kommen manche davon direkt aus dem Ministerium.